Am Donnerstag, den 08.03.2012 trat ich morgens meine Anreise mit der Lufthansa nach München zur DigiLern an. Ich war leicht aufgeregt, schließlich besuchte ich München zum ersten Mal. Nach meiner Landung machte ich mich auf die Suche nach einem Informationsstand der Münchner Verkehrsgesellschaft. Gesucht, gefunden! Ich wurde sehr freundlich beraten und bekam ein Münchner Verkehrsnetz ausgehändigt. Mit meinen Tickets ausgestattet, ging ich nun rein ins Getümmel der Münchner S- und U Bahn. Gespannt verfolgte ich die Route. Zum Glück sah der Bahnplan genauso aus, wie der von Berlin – das erleichterte mir die Orientierung. Gegen 12:45 Uhr kam ich mit meinem gesamten Gepäck bei der DigiLern in Ottobrunn an.
Nach dem kurzen Anmeldeprozedere machte ich mich auf in die zweite Session. Diese gestaltete Michael Jordan von der Universität Augsburg. Er stellte das Brauch-Wiki vor. Es ist im Rahmen des Studiengangs Volkskunde entstanden. Dieses Wiki auf Basis von MediaWiki ist öffentlich zugänglich. Ziel ist es „forschendes Lernen zu ermöglichen“ und auch die neue Lernkultur in der Schule zu etablieren. Sein Wissen mit anderen zu teilen und so aufzubereiten, dass andere auch Spaß daran haben sich mit einem Thema zu befassen oder sich dafür zu begeistern, ist eine Idee dieses Projektes. Bräuche werden als Motivation genutzt, viele Nationen sind in einer Klasse und man kann so auch ein Verständnis für die vielen Kulturen entwickeln und eben auch Interessantes entdecken. Mich hat u.a.“Dr. Brauch“ begeistert. Er ist der Hilfe-Guide durch das Brauch-Wiki. Es gibt wohl auch eine Brauch-Ampel, die den Status des Artikels angibt.
In Session 3 war „Tablet vs. Whiteboard“ das Thema. Josef Kutzelmann wollte mit den Teilnehmern die Vor- und Nachteile erörtern. Vor allem war wichtig, dass geniale Tafelbilder abgespeichert und auch Ergebnisse besser gesichert werden können. Einen richtigen Mehrwert bot sich mir nicht, da einige Teilnehmer eine Grundsatzdiskussion eröffneten, ob man nun Apple Produkte nutzt oder nicht und wer denn die Kosten der Geräte zahlt. Schade, dass der Leiter der Session sich da so in den Bann mit hat hineinziehen lassen.
Nach einer entspannten Kaffeepause gab es eine interessante Podiumsdiskussion mit Politikern der örtlichen Fraktionen, Elternvertretern, Lehrern und Schülern. Diese wurde auch von Lutz Berger aufgezeichnet. Thema der Diskussion war: Was wird die Schule in den nächsten zehn Jahren verändern? An sich sollte die Runde in drei Akte gegliedert sein, aber aufgrund der vielen Teilnehmer auf dem Podium, hat man dann mitten drin spontan umdisponiert.
Es wurde ein Beispiel vorgegeben: Ayshe Eschenbach, Teenager, lebt in einer ländlichen Gegend und wie sieht ihr Schulalltag im Jahre 2022 aus?
Nun durften sich alle Podiumsteilnehmer äußern und ihre Vermutungen anstellen. Ein Lehrer des Ottobrunn Gymnasiums meinte, es werden zukunftsweisende Schlüsselkompetenzen vermittelt. Medienkompetenz ist dabei ganz weit vorn und die Rahmenlehrpläne sind aufgeweicht. Markus Blume, CSU Politiker, sagte in 10 Jahren sind alle Medien integriert und solche Konferenzen wie diese wären dann verzichtbar. Ein Politiker der Grünen äußerte sich wie folgt: Schulen sind offen für technische Entwicklungen. Eine junge Politikerin der FDP, ca. Anfang 30, behauptet, dass Ayshe aufgeregt ist, fährt mit dem Bus zur Schule, hat einen Vortrag über Gletscherschmelze mit einer Skypekonferenz, hat Wissenschaftler dazu eingeladen und holt diese so in den Klassenraum. Ein Elternvertreter meint, dass die SuS an mobilen Lernplätzen lernen, Schule ist nicht mehr das Zentrum, ähnlich wie beim Co-Working wird es dann Co-Lernen geben. Hier stellen sich mir die Fragen,
- was passiert mit der Schulpflicht? oder
- welche pädagogischen Wissensvermittlungsmethoden wird es geben?
- Wie wird das Gelernte abgeprüft?
- Wird es noch Noten im herkömmlichen Sinne geben?
- Kann man Leistungen dann überhaupt noch mit unseren heutigen Kriterien bewerten?
Im Anschluss daran fragte ein Teilnehmer, ob denn die Motivation zu Hause zu lernen höher sei und wer betreut die Kinder zu Hause? Auch hier stößt es bei mir wieder negativ auf – mobile Lernorte heißt doch nicht, dass der Ort von der Schule nach Hause verschoben wird, da waren die Horizonte sehr eingeschränkt. Aber das ist auch ein Lernprozess. Letzten Endes wurden Standards gewünscht, mit welchen Medien interagieren die Lehrer und Lehrerinnen sowie die SuS. Schnell kam man in der Runde auf die OER-Materialien, welche von Lehrern und Schülern entwickelt werden. Hier wurde debattiert, dass die Qualität der Materialien angezweifelt wird und auch die Urheberrechtsfrage wurde erörtert. Es hieß, es entstünde dann Unterrichtsmaterial der 1. und 2. Klasse. Material der 1.Klasse käme von den Schulbuchverlagen. Diese werden mit Geld bezahlt und seien daher besser. Materialien der 2. Klasse, entwickelt von Lehrern und Schülern, ist gratis und somit angeblich schlechter, weil man sich weniger Mühe gäbe und die Leistung würde nicht entsprechend honoriert werden. Meine Frage: Stimmt das? – Ich glaube nicht, solche Materialien können kollaborativ besser fortentwickelt werden, sind möglicherweise sogar besser als das Verlagsmaterial, weil die allgemein sind und weg vom Alltag der Schulwelt.
Am Abend trat Hans Klaffl auf. Dieser war sehr erheiternd, er sprach über den Lehrer als Spezies. Warum wird man Lehrer? – Man will den Schülern etwas beibringen, Grundlagen schaffen, Beamter sein, Absicherung schaffen und vieles mehr. Er beschrieb vier Lehrertypen. Der erste war der Sedlmeyer. Sein Motto: ihm ist alles egal, Schüler haben eher Probleme mit ihm als er mit ihnen. Der zweite Typ war Gütlich – im Kollegium meistens eine Frau, hat oft Bedenken, leidet an Burnout, führt handlungsorientierten Projektunterricht durch. Der dritte Lehrertyp ist der Gmeinwieser. Sein Motto: er ist diktatorisch, laut, seiner Meinung nach sind Eltern verantwortungslos, schicken ihre bildungsresistenten Kinder in die Schule und hängt alten Erziehungsstilen des 19. Jh. nach. Der vierte Lehrertyp ist Gregorius, unterrichtet alte Sprachen, ist ein Schöngeist, weiß sich auszudrücken, z.B. „etwas weniger albern ist auch lustig“. Was ich persönlich als neue Wortschöpfung mitnehme, ist Klaffl´s Bezeichnung für die PISA-Studie: Welt-Streber-Charts.
Am Freitag und Samstag fand dann die eigentliche Konferenz statt. Lehrer und Dozenten stellten ihre Best-Practice Beispiele vor. Doch zunächst wurden die Tage mit spannenden Keynotes eröfffnet. Gabi Reinmann hielt am Morgen eine Keynote zum Thema „Ich bin nicht im Netz“ – Mediengestützte Wissensprozesse bei Lehrenden und deren Bedeutung für guten Unterricht. In ihrem einführenden Vortrag sagt sie, dass der Lehrende erst mal selbst die digitalen Medien erfahren und eigene Lernprozesse entdecken soll. Laut einer Studie der Initiative D21 im Dezember 2011 gibt es sechs Medien-Nutzertypen.
- Gelegenheitsnutzer
- Berufsnutzer
- Trendnutzer
- digitale Profis
- Digitale Avantgarde
Ebenfalls äußert sie, dass Lehrer Wissensarbeiter sind – sie vermitteln Wissen, erarbeiten Wissen mit Schülern, ergo beginnt Wissensmanagement schon in der Schule und wird dann im Unternehmen fortgesetzt. Das Problem ist, nur wenige veröffentlichen eigene Lehrmaterialien, kommentieren in sozialen Netzwerken oder schreiben Einträge in Wikis ein. Welchen Einfluss der Einsatz der Medien auf Wissensprozesse auf den Unterricht hat oder welche Wissenskultur aus der Mediennutzung entsteht, ist noch nicht geklärt. Aber man hat versucht, Wissenstypen zu erstellen. Ich denke man kann sich nicht wirklich einem Typen zuordnen, alle haben etwas für sich. Die zweite Keynote hielt der Schuldirektor Achim Lebert mit der Überschrift „Wird Schule durch IT besser?“ Er beginnt seinen Vortrag mit vielen Fragen.
- Werden Klassen durch IT besser?
- Was bewirken Notebooks?
- Warum bewirken technische Medien einen besseren Lernprozess?
- Was wird aktiviert?
- Warum ist Lernen dadurch nachhaltiger?
- Passt das jetzige Schulsystem noch in die heutige Zeit?
Er schaut einmal über den Tellerrand auf einen der sieben Kontinente. Australien ist ein Vorreiter – IT ist dort in das Curriculum integriert. Da wird nicht mehr diskutiert, ob man IT nutzt oder nicht. Jedoch ergeben sich daraus auch Konsequenzen. Es heißt, man lernt schneller, mehr und kürzer – ob das so gut ist für die Persönlichkeitsentwicklung der Heranwachsenden? Die Schüler können immer und überall lernen, sind online – wie wird soziales Lernen noch gewährleistet im digitalen Zeitalter – wo finden die Schüler Reibungspunkte und echte/ wahre Freundschaften? Wie sollen Projekte bewertet werden? Was sollte noch im Curriculum/ Lehrplan stehen?
Auch wenn er viele Fragen stellt, so gibt er auch stichhaltige Antworten. Die Anregungen sind wichtig, die er gibt. Schließlich haben die Lehrer eine große Verantwortung. Diese Verantwortung schließt aber eben auch die Nutzung und Anwendung der Neuen Medien mit ein. Er meint die Schüler, die im Unterricht verloren werden, sind die Sozialkosten der Zukunft – ergo ist eine Investition in die Bildung auch eine Investition in die Zukunft der Wirtschaft. Digitale Medien öffnen den Klassenraum, fördern den Austausch mit Experten, fördern Interessen und Talente der Schüler. Daraus folgt eine gesteigerte Motivation durch mehr Lernanreize. Seine Quintessenz war: es muss Marketing für das Lernen betrieben werden, hab ich auch schon immer gesagt – Lehramtsstudenten sollten auch ein paar Marketingseminare besuchen, denn Wissen vermitteln ist wie Werbung für Produkte machen – Schüler sollten/ müssen begeistert werden den Lernstoff „kaufen“ bzw verinnerlichen zu wollen.
Ich nehme auf jeden Fall mit, dass es viele motivierte Lehrer gibt, die die neuen Medien integrieren möchten, aber auch durch Gesetzgebungen und Kultusministerien ausgebremst werden. Aber ich habe Hoffnungen – schließlich gehen die engstirnigen Mitarbeiter bald in Rente und dann können wir loslegen mit der Reformation des Bildungssystems.
Ich persönlich stelle mir die Schule in 10 Jahren noch sehr ähnlich zu den heutigen Klassen vor – es wird einige Ausnahmen geben, die dann schon viel mit den „neuen Medien“ (was wird es bis dahin geben?) arbeiten.
Doch bis es einen wirklichen Generationswechsel in der Hinsicht geben wird, werden meiner Meinung nach noch einmal weitere 10 Jahre vergehen.
Ich lasse mich aber auch gern positiv überraschen.
Gerade bzgl. der letzten beiden Absätze bin ich vollkommen ihrer Meinung! Ich bin selbst Lehramtsstudent und habe während meines Studiums wenig über Motivation gelernt – nur die Unterscheidung zwischen extrinsischen und intrisischen Faktoren der Motivation – was sicherlich gut zu wissen ist, aber dennoch bei weitem nicht genug. Daher sollten definitiv Seminare im Studium implementiert werden, die den Studenten dazu verhelfen ihre Schüler für das zu begeistern, wozu sowieso beide Seiten (Lehrer-Lerner) verpflichtet sind.
Ich habe genauso wie sie die große Hoffnung, dass die konservativen politischen „Kleingeister“ von heute, durch medienkompetente innovative „Frischlinge“ von morgen ersetzt werden, um dem ganzen Thema eine neue Richtung zu geben.
Schöner Rückblick. Danke dafür.
Den letztgenannten Vortrag fand und finde ich auch immer noch sehr gelungen. Vor allem, weil er so gelassen stattfand, so ganze ohne Hype. Eher als sachliche Bestandsaufnahme. Wenngleich ich beim Vergleich Einkaufsmall – Schule schon ein wenig geschluckt habe, konnte man sich dem nicht ganz entziehen.
Ob allerdings Medienaffinität und Alter etwas miteinander zu tun haben? Auf der digilern waren doch z.b. Vertreter von ZUM und digitale Schule Bayern…die waren, ganz respektvoll, auch nicht mehr so die Jüngsten. 😉
Achja, beim nächsten Mal werde ich versuchen, nicht so überrascht und doof rumzustochern, wenn ich dich treffe ;).
1) Das Bild des Lehrenden als Wissensmanager/in gefällt mir gut! Die traditionelle Rolle der Lehrenden wird dadurch etwas entschärft.
2) Schule wird durch IT nicht besser, wenn Lehrende alte Methoden mit neuen Mitteln fortsetzen! Was zur Zeit noch fehlt, ist die didaktische Fähigkeit, IT sinnvoll einzusetzen! IT ist mittlerweile Teil der Gesellschaft und kann aus der Schule gar nicht mehr ferngehalten werden!