Wenn Lehrer glauben, sie seien die Götter der Wissensvermittlung, dann können sie sich schon mal schnell auf den Schlips getreten fühlen. Ist es angebracht das Bewertungsportal Spickmich zu verklagen, nur weil der persönliche Stolz verletzt wurde?
Eine Lehrerin aus dem nordrheinwestfälischen Moers hat gegen Spickmich geklagt, weil ihr Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Sie wurde von ihren Schülern mit der Gesamtnote 4,3 bewertet. Beurteilt werden die Lehrer nach den Kriterien „fachlich kompetent“, „gut vorbereitet“, „menschlich“, „motiviert“ oder gar „cool und witzig“.
Schon im November 2007 berichtete Deutsche Startups über den ersten Versuch der Lehrerin ihre Rechte zu verteidigen. Heute hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die freie Meinungsäußerung gewahrt bleibt. Laut Gerichtsurteil sei der Persönlichkeitsschutz der Pädagogen nicht verletzt, solange keine Daten aus der Privat- oder Intimsphäre oder unsachliche und diffamierende Schmähkritiken veröffentlicht würden.
Sicher kann ich ihre Position nachvollziehen. Sie wird anonym bewertet und ihr Lehrerkollegium, sofern dieses die Plattform kennt, erfährt von ihren möglichen Schwächen. Allerdings sollte sie doch dieses Urteil ihrer Schüler nicht zu hoch bewerten, da es immer subjektive Einschätzungen sind, die sicher oftmals aus einer bestimmten Laune heraus geschehen.
Durch ihr Handeln macht sich die Lehrerin eigentlich lächerlich. Wenn sie nämlich gut abgeschnitten hätte, dann hätte sie wahrscheinlich nicht geklagt. Nun wurde sie aber nur mit ausreichend ausgezeichnet und muss einen Sündenbock finden, damit ihr Seelenheil wieder hergestellt ist. Ich frage mich wie man so überreagieren kann?
Sie hätte doch dieses Feedback auch positiv oder mit Humor nehmen können. Schließlich weiß sie durch diese Plattform, was ihre Schüler über sie denken. Die Mängel, die ihr da aufgezeigt wurden, hätte sie auch mit ihren Schülern einfach thematisieren können und dann schauen, ob sie nicht etwas an ihrem Unterrichtsstil hätte ändern können.
Was mir bei der Sache so aufstößt, ist folgendes: Die Lehrerin scheint mir etwas weltfremd. Schon zu meiner Zeit wurden Lehrer bewertet. Wir hatten auf Papier eine Tabelle mit Namen der Lehrer und Kriterien wie z.B. Beliebtheitsskala, fachliche Kompetenz, menschliches Einfühlungsvermögen und Gerechtigkeit. Keiner von uns wurde für diese Handlung verklagt. Heute, im neuen Medienzeitalter, können die Kids sich die Mühe ersparen, Tabellen zu zeichnen. Stattdessen können sie nun ihre Pauker online und in einem gewissen Rahmen öffentlich bewerten, nach Kriterien, die die Plattform vorgibt.
Ich frage mich, ob die Lehrerin oder andere Pädagogen in Zukunft auch das Portal SchuelerVZ verklagen. Auch hier gibt es Gruppen, eigens von Schülern ins Leben gerufen, die dort über ihre Lehrer herziehen. Dort wird es sicher nicht so human sein wie bei Spickmich. Denn in den Foren geben die Schüler den Takt an. Aber was man nicht weiß, das macht einen auch nicht heiß…
Allerdings sollte man solche Kritiken nicht überbewerten, sondern eher als Feedback ansehen. Wird man positiv kritisiert, dann weiß man, dass man mit seiner Art des Unterrichtens gar nicht so falsch liegt und bei negativer Kritik, kann man ja schauen, inwiefern man etwas verändern kann.
Wenn ich mal meinen Namen bei der Plattform finde, würde ich zumindest zuerst das Gespräch mit meinen Schülern suchen und feststellen wie ernsthaft diese Bewertung eigentlich ist. Bei Radio Fritz konnte man heute auch seine Meinung äußern. Mein Statement hört man ab der sechsten Minute.
Mein Fazit: Lassen wir den Kindern doch ihren Spaß und ziehen unsere Lehren daraus.
Hier ist es doch ähnlich wie bei der Unternehmenskommunikation. Firmen überlegen, ob sie auf ihrer Webiste Nutzerkommentare zulassen oder gar mit einem Profil bei einem der zahlreichen sozialen Netzwerken teilnehmen sollten. Die Befürchtung der Verantwortlichen ist im ersten Moment, dass die Nutzer ja auch negative Äußerungen abgeben könnten. Diese wären dann für alle mehr oder weniger öffentlich einsehbar und könnten somit ein schlechtes Bild abgegeben.
Unternehmer, Lehrer und Dienstleister allgemein sollten solche Plattformen und die Funktionen des Web2.0 jedoch lieber aktiv nutzen. Durch konstruktive Bewertungen und Meinungen durch Nutzer auf etablierten und seriösen Websiten zeigt man, dass einem seine Kunden etwas Wert sind, dass man gewillt ist auf sie zu hören und dass man erkannt hat, dass es ohne sie nicht geht. Fehler und Dinge, die nicht optimal laufen sind dazu da erkannt und verbessert zu werden. Auch in der Schule findet ein sinnvoller Unterricht doch auch nur dann statt, wenn die Schüler „mitmachen“ und sich ernst genommen gefühlen.
Man kann sich dem Web 2.0 numal einfach nicht verwehren. Bietet man selbst kein Forum an, landet das Feedback, wie bereits im Beitrag geschrieben, halt auf anderen Seiten irgendwo im Netz. Nur hat man dann nicht mehr die Möglichkeit dies gebündelt auszuwerten und darauf sinnvoll einzugehen.
Mir scheint deine Meinung etwas weltfremd. Die Macht der neuen Medien ist nicht zu unterschätzen, v.a. wenn es manipulativ wird. Auch bei uns gab es früher an der Schule Rückmeldestatistiken, Noten für Lehrer in Schülerzeitung und Co. Das war lustig, witzig, interessant, aber nicht immer fair. Was aber haben solche Rückmeldungen außerhalb der Schule zu suchen? Es kann nicht sein, dass man nicht die Möglichkeit hat, mit den Urteilenden zu kommunizieren. Eine Blockade bei der Kommunikation wird dadurch eher verschärft als gelöst. Es gib genug andere konstruktivere Kommunikationswege. Derjenige Lehrer, der in der Schule nicht mit sich reden lässt, wird das über das anonyme Internet erst recht nicht machen.
Noch was zum Thema Datenschutz: Man trichtert den Schülern ein, vorsichtig mit sensiblen Daten im Internet umzugehen (z.B. be studiVZ, schüler.cc), und dann öffnet man für so etwas Tür und Tor.
„Sie wird anonym bewertet und ihr Lehrerkollegium, sofern dieses die Plattform kennt, erfährt von ihren möglichen Schwächen.“
Die Lüge besteht nach meiner Erfahrung viel zu oft darin zu glauben, dass Schwächen und Stärken einzelner Lehrkräfte nicht ohnehin an der Schule bekannt sind und durch derartige Festschreibungen lediglich fixiert werden.
Das halte ich für ein Personalentwicklungsproblem, was nur deswegen in die Öffentlichkeit gerät – worüber sich streiten lässt – weil es anderweitig nicht angegangen wird.
Hallo Hermann,
vielen Dank für deinen Kommentar. Mir ist schon bewusst, dass die neuen Medien auch Gefahren mit sich bringen. Aber ich finde die Reaktion der Lehrerin überzogen. Überleg mal warum vielleicht die Schüler unfaires Feedback geben – möglicherweise haben sie es einfach nicht gelernt konstruktiv Kritik zu üben?!
Dass die Lehrerin mit ihren Urteilenden nicht reden kann, ist auch grundsätzlich falsch. Natürlich weiß sie nicht genau, wer über sie abgestimmt hat, aber sie wird ja wohl wissen welche Klassen sie unterrichtet hat. Dann kann sie natürlich mit all ihren Schützlingen über die Bewertung reden oder eben selbst einen Feedbackzettel ausgeben und die Schüler sie eben nochmal bewerten lassen.
Und ich finde, wenn Lehrer sich für etwas Besseres halten und kein Feedback annehmen, dann haben sie wohl schlichtweg den Beruf verfehlt. Wenn die Schüler die Chance in der Schule bekämen den Unterricht zu evaluieren, dann bräuchten sie auch keine Bewertungsplattformen außerhalb.
Hallo Andreas,
ich freue mich über deinen Kommentar. Allerdings muss man in der Schule schon differenzieren mit wem man es zu tun hat und auch sensibel damit umgehen. Schüler sind nun mal keine „Kunden“. Aber natürlich sollten sie lernen Feedback geben zu können. Das Feedback sollte sich aber nicht nur mit dem Bewerten des Lehrers und des Unterrichts befassen. Sie sollen auch ihre Mitschüler bei Referaten evaluieren können. Und wenn man ein guter Lehrer ist, dann erarbeitet man mit den Schülern gemeinsam Kriterien und entwickelt einen Bewertungsbogen. So wird die Benotung auch transparenter.
Ich finde spickmich.de eine gute Initiative. Sie zwingt dazu, dass Lehrer nicht mehr nur selbst andere ständig beurteilen, sondern sich von ihren „Kunden“ auch beurteilen lassen müssen. Wenn ihnen das online-outing nicht gefällt, dann gibt es nur eines: Feedback-Instrumente direkt in der Schule und im Unterricht einsetzen – und vor allem: aus ihnen Konsequenzen für Veränderungen ziehen. Prima elaborierte Feedbackinstrumente gibt es schon, z.B. Ono-Systems (erfunden von Schülern) http://www.onosystems.prof-maad.org/umfragesystem.html Es ist schon an vielen Schulen ausprobiert und ganz hervorragend.
Vgl. auch meinen Beitrag zu spickmich vor einem Jahr http://lisarosa.twoday.net/stories/4633659/
@ Hermann
Ich stimme mit dir 100%ig überein. Das Problem dieser so genannten Plattform ist ja die einseitige Kommunikation zwischen Bewertendem und Bewerteten. Die Lehrer die offen für Veränderung und Kritik sind bieten das im Rahmen ihres Unterrichts an. Die, die es nicht tun, werden durch solche Portale inkl. der möglichen schlechten Bewertungen, die – da anonym – nicht zuzuordnen sind es wenn überhaupt an allen Schülern auslassen. Also wer hat dann etwas gewonnen? Niemand! Der Schüler lernt nicht seine Kritik angemessen und gegenüber den Betreffenden zu äußern und die kritisierten Lehrer müssen sich dieser Kritik nur indirekt stellen, ergo verfallen in Abwehrhaltung gegenüber jeglicher Veränderung.
Was wohl Eltern sagten, wenn ich ein personalisiertes Schülerbewertungsportal gründen würde, indem man ihre Kinder nach Lust und Laune bewerten könnte. Is ja freie Meinungsäußerung…..ich kann jetzt schon den Aufschrei hören…
„Wenn Lehrer glauben, sie seien die Götter der Wissensvermittlung, dann können sie sich schon mal schnell auf den Schlips getreten fühlen.“
Ja, aber unsachlich argumentiert – ein non sequitur vom Typ „affirming the consequent“: Es wird nahegelegt, dass der Umkehrschluss auch gilt, dass also, wer sich auf den Schlips getreten fühlt, deswegen glaubt, er sei ein Gott der Wissensvermittlung.
Insofern würde ich gar nicht so auf der Lehrerin herumreiten: Wenn man spickmich.de für eine schlechte Sache hält, kann es legitim sein, dagegen zu klagen – und das kann man nun mal nur als Betroffener.
Ich stimme Andreas zu: „Bietet man selbst kein Forum an, landet das Feedback, wie bereits im Beitrag geschrieben, halt auf anderen Seiten irgendwo im Netz.“ Wobei das Feedback in der spickmich-Form auch keine Auswirkungen haben dürfte. Überschätzen darf man die Macht des Web auch nicht.
Es bringt erst einmal wenig, über konkrete Lehrer in dieser Form rückzumelden – Änderungen wird es erst geben, wenn Schulen und Lehrern die Möglichkeit haben, sich zu ändern, und das hängt weitgehend vom Arbeitgeber ab. Aber vielleicht führt der – in der Praxis noch nicht nennenswerte – Druck durch spickmich dazu, dass sich in den Institutionen etwas ändert. Ich glaube es erst mal nicht.
Manchen Schülern spreche ich übrigens durchaus den Wunsch ab, mit dem Lehrer direkt zu kommunizieren. Und die Zuverlässigkeit und das Alter der Bewertungen sind auch nicht zu überprüfen. Als Rückmeldungsinstrument ist es wertlos, finde ich – aber es erhöht vielleicht den Wunsch nach einem besseren System.
So oder so finde ich die Benotung bvei spickmich durch das Recht der Meinungsäußerung gedeckt. Aus diesem Grund hätte ich nicht geklagt – andere mögen das anders sehen. Bedenken habe ich allerdings bei der Möglichkeit, Lehrerzitate einzustellen: Aus meiner Zeit als betreuender Lehrer weiß ich, dass diese Zitate oft nicht nur verfremdet und aus dem Konetxt gerissen sein können, sondern manchmal frei erfunden sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei spickmich anders ist. (Ich werde aber einen Teufel tun und dort nachschauen.) Und das ist dann nicht mehr durch Meinungsfreiheit gedeckt.
Nun ja. Ich verfolge den juristischen Werdegang schon eine Weile. Zu Beginn der Klage standen da noch ganz andere Bewertungskriterien drin, wie Aussehen, Kleidungsstil etc. Komisch, dass diese Infos bei den aktuellen Berichten wegfallen. Insofern hat die Klage doch etwas bewirkt – passt wohl aber nicht ins Bild der „nörgelnden Lehrerin“. Oder etwas spät von der Sache mitbekommen und damit fehlen die Infos aus den ersten Monaten und ersten Klagen!? Komisch ist es schon…
(Generelle Kritik, nicht hier speziell)
Da es ok ist, wenn eine Seite den Weg aus dem relativ geschlossenen Raum (Schule, Schulhof, Kiez) raus in die gesamte weite Welt geht, bin ich gespannt wann die erste Webseite kommt, die das Prinzip umdreht. So manch(e) Arbeitgeber/Ausbildungsbetrieb/Universität außerhalb des lokalen bzw. regionalen Umfeldes hätte auch daran ein berechtigtes Interesse. Über das Prinzip der Zensierung hinausgehend, die am Ende bestimmte Dinge zusammenfassen oder wo einige Informationen einfach nicht reinfließen. Und dann liebe Schüler: Willkommen im Netz.
(Zur eindeutigen Identifizierung hat z.B. Berlin schon einen Anfang gemacht mit der Einführung einer zentralen Schülerdatei. Macht die Identifizierung definitiv einfacher 😉 )
Mitsprache und Mitbestimmung an den Schulen (zumindest Berlin) durch die Schüler ist vorhanden. Aber schon mal einen Schüler(m/w) gefragt, welche Rechte und Mitbestimmungsmöglichkeiten sie haben? Insbesondere die, die oft über ihre Schule meckern? Gesamtschulkonferenz? Mehrheitsverhältnisse? Regionalen Vernetzungsmöglichkeiten mit anderen Schulen? Finanzielle Mitbestimmung, ggf. über Anwerbung externer Mittel für die Verbesserung der eigenen Schule? Ein wahrlich interessantes Ergebnis, selbst in der Oberstufe…
Da ist es doch einfacher, ein paar Button im Netz anzuklicken, oder?
Der Vergleich mit Unternehmen hinkt natürlich gewaltig. Bewertet wird dort immer ein Produkt, ein Vorgang oder eine Institution/Abteilung, nicht die einzelne Privatperson. So mag Auto X von Firma Y schlechte Bremsen habe, aber nicht Ingenieur Klaus wird bewertet, der die Bremsen zuvor entworfen hat.
Auch wenn der propagierte(!) Zweck gut sein mag, ist diese Entwicklung schon bedenklich. Privatssphäre, Datenschutz, Datensparsamkeit, Vertrauen,… – Quo vadis?
Als eigentlichen Zweck der Seite halte ich noch immer das Umdirigieren des schnöden Mammons in andere Taschen. Das „Schule“ erst an Stelle 7 steht und vorher Menüpunkte wie Dollar (Pimp your Account) etc. widersprechen meines Erachtens dem propagierten Zweck. Aber bei der Schule kommt man dann nach Eingabe (s)einer PLZ auf (s)eine Schule und sieht dann Einordnungen wie „Flirt-Faktor“, „Alk-Faktor“, Faust-Faktor“ und „Party-Faktor“. Ah ja.
Ernst nehmen fällt mir da relativ schwer…
Schon mal einen Politiklehrer gefragt, ob er die Partzipation von Schülern in der eigenen Schule als Unterrichtsthema aufm Zettel hat? – Ich ja. Die meisten gucken komisch. Sie glauben, Politik findet nur außerhalb der Schule und als Lernen für später statt. Woher sollen die Schüler ihre Institutionalisierte Mitbestimmung (und deren Möglichkeiten und Grenzen) kennen, wenn sie nicht mal im Politikunterricht thematisiert wird? ;-(