Im Rahmen des Bildungsschwerpunktes des ZDF wurde gestern Abend bei Maybrit Illner zum Thema „Eltern in PISA-Panik – Gute Bildung nur noch für Reiche?“ heiß diskutiert.
Gäste der Podiumsdiskussion waren: Heinz Buschkowsky (Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln), Armin Laschet (nordrheinwestfälische Familienminister), Josef Kraus (Präsident des Deutschen Lehrerverbandes), Sabine Postel (Schauspielerin), Enja Riegel (Gründerin der Gesamtschule „Campus Klarenthal„) und Emre Ulukök (16 Jahre alt, ehemaliger Hauptschüler).
Kernfragen der Diskussion waren: Welches System ist denn nun das bessere für die Generation von Morgen – das staatliche oder private? Wie werden die Schüler optimal gefördert? Auf welche sozio-ökonomischen und kulturellen Probleme stößt man in der Schule, die ein Lehrer im Unterricht beachten muss?
Um es schon einmal vorweg zu nehmen: Ich fand die Sendung sehr interessant und hier wurden endlich mal richtige und gute Statements abgegeben. Ich habe oft in meinem stillen Kämmerlein Beifall geklatscht. Endlich wurde mal deutlich gemacht, dass auch ein Hauptschüler in unserer Gesellschaft eine wichtige Bedeutung hat.
Mir geht es echt gegen den Strich, wenn im Prinzip verachtend über diese Schüler gesprochen wird. Ein Hauptschüler hat ebenso Talent und Potenzial wie ein Gymnasiast – nur auf anderen Ebenen. Aber deshalb muss man sie nicht degradieren. Zum Glück wird sich dieses Denken bald, zumindest in Berlin, ändern. Denn ab dem Schuljahr 2010/2011 wird es neben dem Gymnasium nur noch die Sekundarschule geben. Hier können dann die Schwachen von den Leistungsträgern mitgezogen werden. Nun kommt sicher auch gleich das Argument, dass es auch eine Umkehrung geben kann. Die Schwachen ziehen die Leistungen der anderen Schüler runter.
Dieses Argument möchte ich hier versuchen zu entkräften. Schließlich bestimmen nicht die Schüler den Unterricht, sondern immer noch der studierte Lehrer. Dieser sorgt doch in seinem Unterricht für die gewisse Qualität und damit auch dafür, dass eben alle Schüler wissbegierig sind.
Hier stimme ich Frau Riegel zu, die meinte, dass derzeit eine Art „Bildungs-Bulimie-Pädagogik“ herrscht. Die Kinder füllen stupide Arbeitsblätter, Lückentexte oder Arbeitshefte aus. Das heißt „sie fressen Wissen bis zum nächsten Test in sich hinein, spucken es wieder aus und vergessen es“. Aber woran liegt das? Sicher nicht am 3-gliedrigen Schulsystem.
Hier stimme ich Armin Laschet zu, der meinte es sei keine schulstrukturelle Debatte. Im Prinzip ist es egal, ob es die Drei- oder Zweiteilung des Schulsystems oder die Einheitsschule gibt. Wichtig ist doch die Art und Weise des Vermittlens von Wissen. Es gibt so viele Möglichkeiten eine Methodenvielfalt im Unterricht anzubieten und so jedem Schüler gerecht zu werden. Allerdings ist es natürlich einfach und schnell die Trichtermethode, Frontalunterricht, vorzubereiten. Hier werden aber viele Schüler dem Unterricht nicht folgen.
Entwicklungspsychologisch gesehen, lernen die Kinder mehr, wenn sie selbst Dinge ausprobieren und erforschen. Also ein vorgekautes Wissen erreicht nur wenige Kinder. Warum wird nicht binnendifferenziert unterrichtet? oder Warum konzipiert man nicht mal Stationenlernen?
Ich möchte mal behaupten, dass schwierige oder auffällige Kinder, die den Unterricht stören und damit möglicherweise leistungsstarke Schüler vom lernen abhalten, nur stören, weil sie nicht adäquat beschult werden. Wäre es aber so, dass eben alle Schüler ihrem Leistungsniveau nach gefördert werden und eben gleichermaßen Erfolgserlebnisse verzeichnen, dann hat man auch ein angenehmes Klassenklima.
Mein Fazit: Die Politik sollte mehr Geld in die Lehrerausbildung investieren, damit diese didaktisch optimal vorbereitet sind. Ich glaube nämlich, dass nicht das System Schuld an der Bildungsmisere ist, sondern die Art und Weise der Wissensvermittlung.
hi melu,#
ja, illner war ganz spannend teilweise. ein rätsel ist mir, wie du laschet flaschet zustimmen kannst. der kennt doch sein eigenes land nicht, wo ihm grad die leute in scharen aus den hauptschulen fliehen! das war die ennttäuschung des abends, dass kraus und laschet ihre mrächen erzählen konnten, ohne dass ihnen jemand die zahlen um die ohren haute.# >>> http://www.pisa-versteher.de
selbstverständlich ist die bildungsarmut eine frage der schulstruktur. differenzielle lernmilieus entstehen, wenn man verlier zu verlieren steckt. und das macht das gegliederte schulwesen. dort, wo man die schulformen aufbrucht, bessern sich SOFORT die risikoschülerraten – selbst ohne andere pädagogik.#
und die schulstruktur hat zugleich mit der pädagogischen armut zu tun. warum sollte ein studienrat seine frontbeladung ändern, wenn er zu einem schüler sagen kann: good bye, ab in die niedere schulform. es ist ein frommer wunsch, dass herr kraus an seiner schule individuell lernen lässt. wer dort nicht mitkommt, der fliegt. #
pisaversteher, christian fueller
Ich finde, dass Schule – besonders die Hauptschule – für’s Leben bilden muss und nicht nur für Noten. Das ist aber oftmals nicht der Fall. Insofern schließe ich mich dem Bild der „Bildungsbulimie“ auch aus eigener Erfahrung an. Ich finde die Diskussion mittlerweile auch zu einseitig auf Hauptschulen beschränkt. Denn es gibt leider nicht nur Hauptschüler, die selbst einfachste Rechenaufgaben nicht lösen sowie diagonal von waagerecht oder rechts von links nicht unterscheiden können. Ich denke daher auch, dass es nicht unbedingt am System, sondern oft an der Art und Weise der Wissensvermittlung hapert. Jeder kennt das: Obwohl man sich durchaus für ein Fach bzw. Thema interessiert, kann ein demotivierter Lehrer jedes Interesse in 45 Minuten zunichtemachen. Doch auch hier liegt die Schuld nicht allein bei der Person. Lehrer müssen meines Erachtens mehr Zeit für individuelle Betreuung und Weiterbildung bekommen, sonst hilft auch das beste Schulsystem nicht. Ich bin gespannt, wie die neue Regierungskoalition mit diesen Herausforderungen umgeht, wobei ich auch hier fürchte, dass man trotz aller Lippenbekenntnisse kaum Änderungen erwarten kann.
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