Anfang Mai fand die nun mittlerweile sechste re:publica statt. Auch ich war diesmal wieder dabei. Die republica hat sich von 2007 bis 2012 zu einer Konferenz mit Festivalcharakter entwickelt. Waren es bei der ersten Konferenz gerade mal knapp 800 Menschen, die sich mit dem digitalen Wandel befassten, so sind in diesem Jahr über 4000 Tickets verkauft worden.
Das Interesse ist immens gestiegen. Das lässt sich aber auch ganz einfach erklären – schließlich betrifft das Internet nicht mehr nur die hackenden Nerds mit der Aschenbecherbrille. Der digitale Wandel ist bis in die Wohnzimmer der kleinsten politischen Einheit vorgedrungen. Dies zeigte sich auch an der Themenvielfalt der republica. Es gab dreizehn sogenannte Subkonferenzen, die stofflich sortiert worden sind.
- Co:funding
- Re:Design
- Re:Health
- Re:Innovate
- Re:Invent
- Re:Learn
- Re:Mix
- Re:Open
- Re:Play
- Re:Port
- Re:Publica
- Re:Unite
- Re:Volt
Im Folgenden werde ich versuchen so kurz wie möglich wiederzueben, womit sich die einzelnen Subkonferenzen befasst haben. Vielleicht findet sich der ein oder andere von euch ja bei einem oder mehreren Themen wider. Auf jeden Fall wird es Zeit, darüber nachzudenken wie sich jeder Einzelne in dieser einen Welt für Gerechtigkeit, Transparenz und Frieden engagieren kann.
Zwei Themen, die gerade am Brodeln sind und zukünfig die Gründung von Firmen beeinflussen werden, sind Crowdfunding und Crowdsourcing. Mittels Kapital der Vielen können recht schnell und komplikationslos Projekte finanziert werden. Ob das mal ein Konkurrenzprodukt zu den Krediten bei den Banken wird? Die Zukunft wird es zeigen.
Die re:design beschäftigte sich mit gestalterischen Grundlagen, wie unsere Webseiten und Apps in Zukunft aussehen werden. Welche gestalterischen Mittel sind notwendig zur Unterstützung sozialer Interaktion? Wie kann ich auf meiner Webseite nachhaltige und interessante Mehrwerte für meine Webseitenbenutzer schaffen?
Doch nicht nur hier ist Nachhaltigkeit gefragt. Auch die Gesundheit spielte bei der republica eine entscheidende Rolle. Welche technischen Fortschritte existieren? Wie arbeiten Ärzte heute global zusammen? Wie können sie ihr Knowhow austauschen? Wie schaut eine via Skype angeleitete OP aus? Welche Möglichkeiten bieten sich für Kliniken mittels Social Media? Na, ist da nicht auch etwas für dich dabei? Denk mal darüber nach, denn auch du möchtest die bestmögliche Medizin bekommen!
Bei der re:innovate stand die Frage Was geschieht, wenn echte Kollaboration möglich wird? im Vordergrund. Innovation ist schon seit jeher ein Motor für technologische und soziale Veränderung. Das bringt mich gleich zu dem Track re:invent, wo es um Ideen und Ansätze geht, die unser Morgen bestimmen könnten. Wie könnte das Internet zukünftig strukturiert sein? Wie werden wir mit Maschinen interagieren? Welche neuen Produktionswege werden wir gehen?
Die für mich spannendste Subkonferenz war die re:learn. Das ist ja auch nicht weit von der Hand zu weisen, denn ich möchte die Veränderung des Lernens und Unterrichtens mit vorantreiben. Denn mit der Verknüpfung von Unterricht und der Kommunikation außerhalb des Klassenraums werden wir einmal wirklich mündige und demokratische Menschen aus der Schule entlassen. Bisher wird ein Großteil von Mitläufern, Auswendiglernern sowie unkritische Widerkäuer ins Berufsleben entlassen. Bei der re:learn waren folgende Fragen im Fokus: Wie lernen wir heute? Wie verändern digitale Medien die Arbeit von Universitäten und Schulen?
Somit komme ich auch gleich zum nächsten bewegenden Gesichtspunkt – das Urheberrecht. Die re:mix befasste sich mit dieser Fragestellung: Wie kann das kreative Potential von Urhebern und deren Rechte gefördert und gewahrt werden, ohne die freie Verbreitung gesellschaftlich relevanten Wissen einzuschränken?
Die re:open erweiterte den Gedanken noch um ein Vielfaches. Hier wurde der Einfluss von Open Data und Open Government diskutiert. Dies kann zu mehr Transparenz, zu mehr Teilhabe, zu einer intensiveren Zusammenarbeit, zu mehr Innovation und zu einer Stärkung gemeinschaftlicher Belange beitragen.
Neben all diesen aufregenden Themen, die doch sehr kopflastig sind, gab es auch einen Ausgleich. Die re:play sorgte für Entspannung, Spiel und Spaß. Gamification ist die Zukunft – nicht nur für Social Media Marketing, sondern auch für eine bessere Welt. Verschiedene Ansätze spielerischen Lernens und Social Gaming werden vorgestellt. Dabei spielten sowohl soziale Geschäftsmodelle als auch Spiele, bei denen Nutzer gesellschaftlich relevante Ideen und Problemlösungen entwickeln, eine Rolle.
Bei dem Slot re:port wurde unser heutiger Medienkonsum unter die Lupe genommen. Die Strukturen der Medienlandschaften haben sich verändert. Wie sieht die Zukunft des Fernsehens aus? Was ist eigentlich ein Buch und wie verändern kollaborative Arbeitsprozesse das Verlagswesen? Wie gehen wir mit Nachrichten um in Zeiten der Transparenz? Heute kann man dem aufgeklärten Leser und Tagesschau-Seher kein X für ein U vormachen. Durch die globale Vernetzung ist es möglich, relativ einfach die Meldungen auf den Wahrheitsgehalt zu überprüfen.
Die re:unite befasste sich mit der Rolle der europäischen Netzöffentlichkeit und ob sie einen Diskurs jenseits der traditionellen Medien zwischen Europäern unterstützen kann. Zentrales Thema hier waren Europapolitik-Blogs. Unterstützt wurde diese Subkonferenz von der Bundeszentrale für politische Bildung.
Last but not Least gab es die re:volt. Die Welt ist in Aufruhr. Neben den anhaltenden Protesten im Nahen Osten, tauchen weltweite Proteste gegen ACTA oder Aktionen der Anonymous Bewegung immer wieder in den Schlagzeilen auf. Welche Treibkraft haben hier die neuen Medien für politische Kommunikation und Proteste? Welche Auswirkungen haben solche Zusammenschlüsse auf die Weltpolitik? Warum können die Politiker über solche Bewegungen nicht einfach hinwegsehen? Ist es möglich mit den sozialen Netzwerken zukünftig ohne Waffengewalt zu revolutionieren?
Es gibt selten auf eine Frage eine eindeutige Antwort, aber jeder hat das Recht, sich seine Meinung zu bilden und aktiv am Weltgeschehen mitzuwirken. Schon kleine Aktionen bringen in deinem Umkreis einen Stein ins Rollen. Life is your creation! Mach etwas aus deinem Leben sonst wird etwas mit dir gemacht!
Wie ihr sehen könnt, die re:publica ist keinesfalls eine Konferenz für die Nerds in unserer Gesellschaft – nein dort werden Themen besprochen, die alle Menschen auf der Welt berühren. Aus diesem Grund und einigen anderen war auch ich vor Ort. Ich hatte an allen drei Tagen einen gefüllten Stundenplan und ich kann euch sagen, es hat sich gelohnt. Da der Artikel schon sehr lang ist, werde ich an dieser Stelle nur meine Highlights zum Besten geben (der Rest folgt dann mal in einem der nächsten Blogberichte).
Am spannendsten fand ich die Entdeckungstour von Geobound in Zusammenarbeit mit den Edunauten. Gemeinsam mit Ralf Appelt erkundete ich die Umgebung der republica. Wir hatten eine Schatzkarte auf einem iPad und mussten verschiedene Stationen anlaufen und dort je eine Aufgabe lösen – wir fotografierten, suchten einen Cache, mussten einen QR-Code entschlüsseln, rechnen u.v.m. Das Besondere war, dass wir die Aufgaben nur gemeinsam lösen konnten und wir mussten uns eine Strategie überlegen, wie wir am schnellsten an das Ziel kommen. Wir hatten schließlich noch zwei weitere Gruppen zu schlagen. Letztenendes wurden wir Zweite, aber der Lern- und Spielspaß hat die Tour zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht.
Inhaltlich haben mich folgende Sessions berührt:
- Digitale Barrierefreiheit und Partizipation im Netz
- das entfesselte Wissen
- Raus aus dem Elfenbeinturm – Forschung zum Anfassen
- die Zukunft des Fernsehens
- Die Technologie von Captain Kirk und James Bond – Kontrollverlust in der Schule?
- Lehrerinnen online – ein Bloggerinnen-Treff
Bei der digitalen Barrierefreiheit wurde mir erstmal bewusst, dass ja auch die Menschen mit Behinderungen ein Recht auf Zugang zum Internet haben. Allerdings scheint es hier noch sehr viel Bedarf zu geben. Vor allem ist gewünscht, dass es mehr Untertitel gibt, dass Texte für Blinde auch im Web vorgelesen werden etc. Leider wurde in der Session viel über die Probleme debattiert, aber kaum Lösungen genannt. Wer spannende Projekte kennt, kann mir diese gern als Kommentar hinterlassen.
Auch interessant war die Zukunft des Fernsehens – mittels HbbTV soll man bald auch über den TV im Web surfen und Sendungen sollen interaktiv gestaltet werden. Einen Versuch startete die ARD letzten Sonntag mit Tatort plus. Übrigens war das mein erster Tatort, den ich je gesehen habe.
Nun noch zu den Bildungsthemen: Das entfesselte Wissen befasste sich mit dem Urheberrecht in Schule und Universität. Welche Möglichkeiten haben Lehrer und Professoren Medien zu nutzen? Sie müssen sie bei den Verlagen teuer einkaufen und sind an die §52a und §53 des Urheberrechts gebunden. Die Schulbuchverlage haben versucht einen Schultrojaner zu installieren – dies ist gescheitert. An den Universitäten (und auch den Schulen) arbeitet man mit geschlossenen Lernplattformen, damit man eben bestimmte Materialien benutzen kann. Ein neuer Ansatz ist der der Open Education Ressources. Hier erstellen die Lehrenden freie Unterrichtsmaterialien, die jeder frei nutzen, verändern und weitergeben kann. Für den Geschichtsunterricht empfehle ich die Webseite selbstgesteuert-entwickelter Geschichtsunterricht.
Bei Raus aus dem Elfenbeinturm – Forschung zum Anfassen wurden erste Best Practice Beispiele vorgestellt, wie sich die Wissenschaft dem Otto-Normal-Bürger öffnet und nicht ihr Gesicht verliert. Wissenschaft gibt es schließlich nicht als fertige Tütensuppe zum nachkochen, sondern die Forscher sind oftmals auf die Mithilfe der Bürger angewiesen. Auch hier vollzieht sich der Kulturwandel erst sehr langsam.
Dieser sehr zähe Wandlungsprozess spielt sich nicht nur im universitären Bereich ab – nein auch im Umfeld der Schule findet dies statt. Jöran hielt einen amüsanten Vortrag zum Thema Die Technologie von Captain Kirk und James Bond – Kontrollverlust in der Schule? – Was verbirgt sich dahinter? Die Schüler sind heute teilweise besser technisch ausgestattet als die Lehrer und was tut man?
In die Schulordnung werden jegliche Verbote von neuen Geräten aufgenommen. Den Schülern ist es nicht erlaubt ihre Smartphones, Tablet PCs oder Notebooks im Unterricht zu benutzen. Dies ist aber über kurz oder lang nicht mehr zu verhindern. Mittlerweile gibt es Modellversuche von Medienklassen, iPhone-Klassen oder Tablet-Klassen. Also der Mehrwert wurde erkannt. Doch warum sind die Geräte vielerorts nicht gern gesehen? Ganz einfach – der Lehrer denkt, er verliert seine Wissensmonopolstellung und Schüler könnten plötzlich schlauer sein als er oder er ist schlichtweg überfordert. Dieser Angst könnte man sich entgegenstellen, wenn die Curricula geöffnet werden, wenn der Unterricht wirklich individuell gestaltet ist, sodass wirklich jeder Schüler mitgenommen wird und nicht davon ausgegangen wird, dass man eh Schüler im Nirvana zurücklässt. Es ist nicht die Frage der Mediennutzung im Unterricht – man muss das ganze System Schule und Unterricht neu denken.
Und zum Abschluss möchte ich noch eine Lanze für alle weiblichen Bloggerinnen brechen. Lisa Rosa hatte wohl Schwierigkeiten Damen für den Slot Lehrerinnen online – ein Bloggerinnen-Treff aufzutreiben. Seid mutig und stellt eure Gedanken ins Netz. Auch bloggende Lehrerinnen sollten sich nicht verstecken, sondern selbstewusst in einen Dialog gehen. Ihr werdet sehen, das Leben wird spannender.
Hier folgen nun noch ein paar Impressionen:
Pingback: Digitale Medien